Kleine Bäume wachsen schon aus den Dachrinnen heraus, in den Dächern klaffen fußballtorgroße Löcher und die Holzfußböden hinter den offenen Fenstern lösen sich langsam auf. Das einstmals so prächtige ehemalige Feuerwerkslaboratorium der Pulverfabrik bietet mittlerweile ein Bild des Jammers. Seit 30 Jahren steht der Gebäudekomplex am Ende der Straße „An den Platanen“ schon leer. Und so, wie es aussieht, hat der Klinkerbau auch keine Zukunft. Der Bereichsleiter Liegenschaftsmanagement Guido Löhst und der Hausmeister Carsten Schulz von Nickel-Immobilien öffneten jetzt das Tor für einen Rundgang über das Gelände.
Mitte 1915 wurde die Königlich-Preußische Pulverfabrik Plaue in Kirchmöser durch den Bau eines Feuerwehrlaboratoriums erweitert. Hier sollten Zünder und Granaten hergestellt werden. Die eigentliche Produktionsstätte befand sich in inzwischen verschwundenen Werkhallen. Der noch vorhandene repräsentative Bau enthielt Verwaltungsräumlichkeiten, einen riesigen Speisesaal und einen Veranstaltungssaal mit Bühne. In Folge des Versailler Vertrages fand bereits 1920 eine Umnutzung statt. Das Reichsverkehrsministerium übernahm und baute ein Lokomotiv-Reparaturwerk auf. Das arbeitete ab 1928 unter der Bezeichnung Reichsbahnausbesserungswerk Brandenburg-West (RAW). In das separat gelegene Feuerwerkslaboratorium zog die Reichsbahnzentralschule ein. Auf Befehl der Wehrmacht wurde das Lokwerk 1942 demontiert und in die Ukraine transportiert. Stattdessen werden nun Panzer und Panzerteile produziert.
1945 übernahm die Rote Armee eine Hälfte des Areals der Halbinsel und richtete – umgeben von Mauern und Stacheldrahtzaun - eines der größten Panzerwerke dort ein. Das ehemalige Feuerwehrlaboratorium diente nun auf der linken Seite als Kaserne und rechts waren der Veranstaltungssaal und Verwaltungsräume untergebracht. Das 120. Instandsetzungswerk wurde durch 2500 Soldaten und Zivilmitarbeiter betrieben. Auf dem Gelände befandensich in der Regel 500 defekte und auch schon reparierte Panzer. Die Halle des ehemaligen Lokwerkes diente als Reparaturhalle und beherbergt heute die vor der Schließung stehende Feuerverzinkungsfabrik.
Das Gelände wurde als letzte Liegenschaft in Brandenburg erst am 30. August 1994 übergeben. Der damalige Kommandeur Oberst Tscherpow wollte aus dem Panzerwerk ein Joint-Venture-Unternehmen machen. Doch das misslang. Die Immobilien wurden besenrein übergeben. Die gesamte Ausstattung war da schon über den Seehafen Mukran in die Sowjetunion geschafft worden. Die Stadt Brandenburg kam am 1. Januar 2003 in denBesitz der Flächen in Kirchmöser und investierte 55 Millionen Euro. Gut 90 der rund 400 Gebäude wurden abgerissen. Der Denkmalschutz bewahrte alle Gebäude aus der Gründungszeit vor diesem Schicksal.
Die Hochschule Anhalt erarbeitete 1996 im Rahmen einer Diplomarbeit verschiedene Nachnutzungsalternativen für das ehemalige Feuerwerkslaboratorium. Ideen waren ein Kulturhof bestehend aus Theater, Kino, Sportcenter, Hotel, Freiluftbühnen, Künstlerwohnungen, Promenaden-Pavillon mit Café und Bootsverleih oder auch ein InternatMit Turnhalle, Speisesaal, Unterrichtsräume, Erzieherwohnungen und einem Sportplatz oder auch ein Wohnhof mit Gemeinschaftsräumen, Turnhalle, Pflegeheim und einem Restaurant. Ein weiterer Vorschlag war ein Kurhotel mit Praxen, Schwimmhalle, Speisesaal und Aula sowie ein Campus als Zweigstelle der Technischen Hochschule Brandenburg oder auchein Gewerbehof mit Kongresshotel, Büro- und Praxisflächen, Verkaufsflächen, Werkstätten, Café und einem Multifunktionssaal.