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Offener Brief: Stellungnahme der „Die Kinderwelt gGmbH“ zur angekündigten Schließung der Kita „Leben“

Leserbriefe
  • Erstellt: 28.11.2024 / 17:01 Uhr von Tuulia Faber
Die Kita „Leben“, 2018 wiedereröffnet, eine der aktuell von der Schließung bedrohten Kitas, und das, obwohl sie sich innerhalb der letzten Jahre zu einem festen Bestandteil des Stadtteils Hohenstücken entwickelt hat. Dies wollen wir als Trägerin hier einmal näher beleuchten, um zu zeigen, welch wichtige Arbeit das Team um Leiter René Manegold hier leisten. Denn die Kita „Leben“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder und Familien in prekären Lebenslagen zu begleiten und ihnen in vielen Fällen einen „sicheren Hafen“ zu bieten. Alle Kinder, die die Kita „Leben“ besucht haben oder derzeit besuchen, stammen ...
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... aus Familien mit multiplen Risikofaktoren, die das gesunde aufwachsen der Kinder gefährden: prekäres soziales Umfeld, geringes Haushaltseinkommen (über 50 % erhalten BuT-Leistungen), Gewalterfahrungen, Arbeitslosigkeit, psychische Erkrankungen der Eltern, Suchterkrankungen, getrenntlebende Eltern, Kinder aus Frauenschutzeinrichtungen, Familien mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrungen (ca. 50 %), Kinder, die in Obhut genommen worden sind und Kinder mit Mehrförderbedarf (ca. 25 %) prägen die Klientel der Kita „Leben“. Nicht wenige Kinder finden hier nach Vorerfahrungen in anderen Einrichtungen einen Ort zum Ankommen, denn das Team hier stellt sich den Herausforderungen, die die teilweise traumatischen Erfahrungen, die die Kinder gemacht haben, und die daraus resultierenden Verhaltensweisen mit sich bringen.

Migrationssozialarbeit in der Kita „Leben“
Die Kita „Leben“ konnte mit Unterstützung der Stadt 2023 Migrationssozialarbeit in der Kita installieren. Diese Stelle wird aus Landesmitteln (MSA II) finanziert. Über die Hälfte der Familien (zeitweise waren es über 70 %) haben Migrationshintergrund, überwiegend mit Fluchterfahrung. Unsere Mitarbeiterin kümmert sich um die Belange der Familien, unterstützt bei Ämtergängen, organisiert und koordiniert Dolmetscher, begleitet die Familien je nach Bedarf zu Ärzten, hilft beim Ausfüllen von Formularen und vieles mehr. Da die meisten Familien nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften leben, sind sie auf sich allein gestellt und haben mit der Migrationssozialarbeit die Möglichkeit, sich im Behördendschungel zurechtzufinden. Mit der Schließung der Kita „Leben“ ständen die Familien ohne niedrigschwellige Anlaufstelle da. Die Migrationssozialarbeit würde vermutlich wegfallen.

Kita „Leben“ ist Sprachkita im Landesprogramm
Die Kita „Leben“ ist seit 2021 Sprach-Kita erst im Bundesprogramm und dann im nachfolgenden Landesprogramm Sprache. Darüber beschäftigen wir seit Beginn eine halbe zusätzliche Personalstelle, die der sogenannten Sprachfachkraft. Die Sprach-Pädagogin unterstützt das Team darin, die alltagsintegrierte Sprachförderung bestmöglich umzusetzen und den Kindern damit den Start in die Schule zu erleichtern. Für die vielen Kinder der Kita „Leben“, die in einer anderen Muttersprache aufwachsen (ca. 50%), ist diese zusätzliche Stelle ein enormer Gewinn, vor allem in Hinblick auf den Übergang in die Schule. Nicht selten kommen die Kinder mit dem Besuch der Kita zum ersten Mal mit der deutschen Sprache in Kontakt. Mit der Schließung der Kita würde diese zusätzliche vom Land finanzierte Stelle ersatzlos wegfallen.

Die Kita „Leben“ für Kinder mit Mehrförderbedarf
In der Einrichtung werden aktuell ca. 25 % der Kinder mit bereits genehmigten Mehrförderbedarf betreut – Tendenz steigend. Wir konnten in den Jahren ein multiprofessionelles Team bestehend aus Erzieher*innen, Heilpädagogen und Heilerziehungspflegern aufbauen, um den Bedarfen dieser Kinder gerecht zu werden. Die Zusammenarbeit mit der Frühförder- und Beratungsstelle läuft reibungslos. Durch die bereitstehenden Räume konnte ein spezieller Förderraum eingerichtet werden, in dem einerseits individuelle Fördereinheiten durchgeführt werden und der andererseits genutzt wird, wenn sich Kinder zum Beispiel in emotionalen Ausnahmesituationen befinden und einen eher reizarmen Rückzugsort brauchen. Würden diese Kinder nun in bestehende andere Einrichtungen verteilt werden, würde diese Möglichkeit der individuellen Förderung und der Bereitstellung von Räumen vor allem für Kinder mit sozial-emotionalen Auffälligkeiten wegfallen. Für die Kinder wäre das dramatisch, denn viele sind darauf angewiesen, Rückzugsräume zu haben, die es in voll ausgelasteten Kitas nicht gibt. Hinzu kommt, dass viele andere Einrichtungen die zusätzliche Förderung auch personell nicht leisten können.

Die Spielgruppe in der Kita „Leben“
Seit 2022 betreiben wir eine Spielgruppe in der Kita „Leben“, um auch für Kinder unter 2 Jahren ein Angebot vorzuhalten. Die Spielgruppe befindet sich in einem Bereich im 1. OG der Kita. Sie ist voll ausgelastet und bietet 15 Familien eine verlässliche Anlaufstelle zu allen Fragen rund um das gesunde Aufwachsen von Kleinkindern und zum Vernetzen von Familien.

Finanzielle Folgen für die Stadt Brandenburg
Ebenso sollte nicht unerwähnt bleiben, welche finanzielle Folgen der Stadt aus einer Schließung der Einrichtung zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich entstehen würden. Das Gebäude, insbesondere die oberen Etagen in der Sophienstraße 49, stand viele Jahre leer. 2018 wurden sie innen umfassend rekonstruiert: neue Fenster, Renovierung, durchgängig neuer Fußboden, 8 komplett sanierte Bäder und die Ausgabeküche. Hinzu kam die Ausstattung für damals bis zu 180 Kinder. Diese wurde durch die Stadt Brandenburg finanziert. Nach unserem Kenntnisstand wurden hierfür Fördermittel verwendet. Da die „Die Kinderwelt gGmbH“ als Trägerin selbst in anderen Kontexten Fördermittel nutzt, gehen wir davon aus, dass auch in diesem Fall die Verwendung dieser Mittel an eine Dauer geknüpft ist. In den meisten Fällen beträgt diese Dauer 10 Jahre. Die Stadt sollte daher überprüfen, ob sie bei einer Schließung der Einrichtung zum 01.08.2025 (die Kita wäre zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal 7 Jahre in Betrieb) nicht einen großen Teil der erhaltenen Fördersumme zurückzahlen müssten.
Zudem ist im Betreibervertrag mit der „Die Kinderwelt gGmbH“ geregelt, dass die Ausstattung der Kita „Leben“ über die Kitafinanzierung innerhalb von 10 Jahren erstattet wird. Die ausstehende Ausstattungssumme wäre gemäß des Betreibervertrages dann an die Trägerin zu erstatten.

Das Objekt Sophienstraße 49
So gesehen hätte der Wegfall der Kita „Leben“ kaum finanzielle Vorteile für die Stadt. Das Objekt gehört der Stadt, sodass keine Mietzahlungen an Dritte notwendig sind. Die Kinder müssen bei einer Schließung in anderen Einrichtungen betreut werden, die Hauptkosten wie Personalkosten, Verwaltungspauschalen, Verbrauchsmaterial, Spiel- und Beschäftigungsmaterial usw. fallen also weiterhin in gleicher Höhe an, nur eben bei einem anderen Träger. Auch die Betriebskosten für den Verbrauch von Wasser werden nicht weniger. Lediglich die Kosten für Heizung und Strom sowie Reinigung sinken wahrscheinlich. Aber auch das wird sich kaum bemerkbar machen, denn das Gebäude in der Sophienstraße 49 muss ja weiterhin betrieben werden: In der unteren Etage haben zwei Sportvereine ihren Sitz und auch die Eltern-Kind-Gruppe im 1. OG braucht beheizte Räume. Wie es mit dieser Gruppe weitergehen soll, war noch nicht Bestandteil der Gespräche und des Bedarfsplans. Die laufenden Kosten für die Unterhaltung des Gebäudes bleiben also nahezu bestehen. Uns ist in der Summe nicht klar, welche Kosten die Stadt mit der Schließung der Einrichtung beabsichtigt zu sparen. Im Gegenteil: Sollten sich die Kinderzahlen in den nächsten Jahren/Jahrzehnten wieder erhöhen und man müsste das Haus reaktivieren, entstehen der Stadt erneute Kosten, da das Gebäude bis dahin dem Verfall überlassen wird.

Tuulia Faber
Die Kinderwelt gGmbH


Bitte beachten: Meldungen in der Rubrik "Leserbriefe" geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sie sind ein persönlicher Text des jeweiligen Verfassers. Einsendungen sind unter [info@meetingpoint-brandenburg.de] möglich.
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