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Otto Gartz – Der märkische Turnvater forderte sogar den Kaiser heraus

Historisches
  • Erstellt: 11.02.2025 / 20:01 Uhr von Marcus Alert
Beim Gauturnfest im Jahre 1892 in Nauen sorgte Otto Gartz für einen Eklat. Der Brandenburger animierte die anwesenden Arbeitersportler das obligatorische „Hoch!“ auf Kaiser Wilhelm II. zu verweigern. Und sie behielten dabei auch noch ihre Mützen auf dem Kopf. Ein klarer Affront. Die durchweg bürgerlichen Funktionäre des Turnerbundes reagierten sofort, gingen die erfolgreichen Sportler aus Brandenburg bei der Siegerehrung leer aus, wurden ihnen die Siegpreise verweigert. Das kam für Otto Gartz sicherlich nicht unerwartet.

Denn bereits mit 19 Jahren war er im Jahre 1859 dem hiesigen Männerturnverein beigetreten. Schnell machte er als Funktionär Karriere und hatte so die nötigen Einblicke. Ihm war klar, dass es in einem kaiserlichen Deutschland für Arbeitersportler immer Grenzen geben wird. Trotz des 1890 aufgehobenen Sozialistengesetzes. So erklärte er auf der Gautagung der Deutschen Turnerschaft im Jahre 1892 den Austritt seines Vereins und kündigte zugleich die Gründung eines Arbeiter-Turner-Bundes an. „Wer mit uns ist, der stehe auf und verlasse den Saal“, so Otto Gartz. Letztlich schlossen sich ihm auch die Arbeitersportler aus Rathenow und Velten an.

Offensichtlich war alles gut vorbereitet. Denn schon am 23. Mai 1892 erschien in der sozialdemokratischen „Brandenburger Zeitung“ der Aufruf: „Turngenossen! Der Brandenburger Männer-Turnverein fordert alle arbeiterfreundlichen Turnvereine auf, einen märkischen Arbeiter-Turnbund zu gründen.“ Die Gründungsversammlung fand am 26. Juni 1892 in „Mengerts Volksgarten“ am Fuße des Marienberges statt. Mit dabei waren der Turnverein Fichte Berlin, der MTV Brandenburg/Havel und der MTV Velten.

Erst fast ein Jahr später folgt am 21./22. Mai 1893 in Gera die Gründung des Arbeiter-Turner-Bundes als Dachorganisation für ganz Deutschland. 39 Vertreter von 51 Vereinen mit 3556 Mitgliedern riefen den Bund ins Leben. Nach Gründungsbeschluss traten sofort weitere 42 Vereine bei. Bis 1933 wuchs der Bund beständig. Dann wurde der Arbeiter-Turner-Bund jedoch von den Nationalsozialisten verboten.

Das erlebte Otto Gartz allerdings nicht mehr. Der „Märkische Turnvater“ brachte den Arbeitersport fast ein halbes Jahrhundert voran, war er aber auch in der Gewerkschafts- und Parteibewegung aktiv. Otto Gartz starb am 16. Dezember 1931 im Alter von 72 Jahren. In Brandenburg wurde eine Straße nach ihm benannt. In den DDR-Jahren trug auch die Wilhelmsdorfer Schule seinen Namen. In den 1970er Jahren war auf dem Turnerheim zudem ein Denkmal für ihn geplant. Dazu sollte das dort vorhandene Denkmal für die im 1. Weltkrieg gefallenen Arbeitersportler umfunktioniert werden. Der Künstler Günter Wermbter schuf ein Relief. Doch als es angebracht werden sollte, war die marode Stele bereits abgerissen worden.

Bilder

Otto Gartz gilt als märkischer Turnvater. Foto: Archiv Alert
Diese Stele sollte in den 1970er Jahren zu einem Otto-Gartz-Denkmal umgestaltet werden. Foto: Archiv Alert
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