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Leserbrief: „Ich sehe nur das, was ich sehen will.“

Leserbriefe
  • Erstellt: 18.02.2025 / 08:01 Uhr von Reiner Heublein
Ich möchte einen Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion [Und wo bleibt der Naturschutz?] leisten. Die Stadt Brandenburg an der Havel plant die Errichtung eines „Großflächigen Gewerblich-Industriellen Vorsorgestandorts“ (GIV) mit einer Fläche von bis zu 400 Hektar in einem zusammenhängenden Waldgebiet am südlichen Stadtrand in der Gemarkung Göttin. Der Wald befindet sich zu mehr als 99 % in Privatbesitz auf dem nördlichen Rand der Hochfläche Zauche und in großer Nähe zum tiefen gelegenen Naturschutzgebiet „Bruchwald Roßdunk“ in der Plane-Niederung.
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Wäre ein solches neues Industriegelände ein Fluch oder, wie es die Stadt sieht, ein Segen für die Einwohner von Brandenburg an der Havel?

Eine prosperierende Wirtschaft ist in unserer Stadt auf ausreichende und attraktive Gewerbe- und Industriegebiete angewiesen. Den Unternehmen, die auf Standortsuche sind, müssen attraktive Möglichkeiten für Wachstum und Veränderung angeboten werden. Gewerbe- und Industrieflächen stellen aber ein knappes Gut dar, das zudem starke Emotionen hervorruft. Gerade in der jetzigen Zeit, wo Unternehmer auf Grund der geo- und europapolitischen Lage überlegen, ihre Standorte verstärkt wieder nach Deutschland zu verlegen bzw. neue umwelttechnische Industriezweige anzusiedeln.

Immer wieder kommen Argumentationen, wo gesagt wird, die Gewerbe- und Industriegebiete reichen aus, es gibt genügend Flächen, die noch leer sind.

Das mag wohl auf der einen Seite stimmen, wenn man die drei noch zur Verfügung stehenden Teilflächen des Industrie- und Gewerbegebietes Hohenstücken, das Gewerbegebiet Neuendorfer Sand und das Industrie- und Gewerbegebiet in Gänze zusammenzählt. Freilich sind fast 70 ha Industriefläche und 48 ha Gewerbegebiet interessant, aber wem gehören sie im Einzelnen, wie sind sie im Einzelnen verfügbar, wie ist ihre Lage im jeweiligen Gewerbe- und Industriegebiet und welche bisherigen infrastrukturellen Voraussetzungen bzw. Anschlüsse haben diese. Oft merkt man auch aus Unkenntnis, dass Industrie- und Gewerbegebiete in „einen Topf geschmissen“ werden.

Deshalb ist es legitim, über neue attraktive Gewerbe- und Industriegebiete nachzudenken, die eine optimale Lage besitzen und auch für größere Ansiedlungen zur Verfügung stehen. Es gab in der Vergangenheit schon mehrere Anfragen, die nicht bedient werden konnten, weil „zusammengezählte“ Gewerbe- und Industrieflächen nur mal nicht zielführend für flächengroße Nachfragen sind. Gerade aus diesem Grund hat die Stadt über mögliche Flächen diesbezüglich nachgedacht.

Ziel des Industrieflächenkonzeptes der Stadt war es, Bestandsflächen zu erheben sowie Potenzialflächen für zukünftige gewerbliche und industrielle Entwicklungen in Brandenburg an der Havel zu identifizieren, die Voraussetzungen für deren nachfragegerechten Entwicklung zu definieren und die notwendigen Daten und Grundlagen für die Einbindung in die o.g. überregionalen Konzepte bereitzustellen.

Ein wesentlicher Fokus wurde auf die Gewerbe- und Industrieflächen in Kirchmöser sowie Schmerzke gelegt, da beide Standorte in besonderer Weise von den dargestellten Entwicklungen bzw. den veränderten Rahmenbedingungen betroffen sind. Schon seit mehreren Jahren sucht die Stadt größere Bereitstellungsflächen für industrielle Ansiedlungen, weil sich entsprechende Anfragen mehren und die vorhandenen Industrieflächen viel zu kleinteilig oder verkehrlich schwer erreichbar sind. Man erinnert sich bestimmt an die Diskussionen um den Autobahnanschluss Kirchmöser. Das war auch ein Ansatzpunkt für den Entwurf im Regionalplan Havelland-Fläming 3.0.

Da diese Flächen in Zukunft dringend benötigt werden, steht außer Frage und es müssen Lösungen her, die leider durch ständige einseitige Diskussionen in Frage gestellt werden. Die Bürgerbeteiligung wurde durchgeführt, die Träger öffentlicher Belange befragt. Auch die GBNO aus Göttin hat fristgemäß eine Stellungnahme angegeben und die Regionale Planungsstelle hat auch diese in den jetzt vorhandenen Entwurf einbezogen. Die jetzigen erneuten Fragestellungen vom 14.02.2025 sind keinesfalls zielführend. Man muss akzeptieren, dass ein fortlaufender Prozess nicht immer neue Fragestellungen erfährt.

Anmerkung sei: Nicht, dass falsche Schlussfolgerungen gezogen werden, ich bin auch für einen ausgewogenen Umwelt- und Naturschutz, aber im Einklang mit den notwendigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernissen. Und Umwelt- und Naturschutz muss auch finanziert werden.

Übrigens, der jetzige Bundeswirtschaftsminister sagte auf dem vorletzten Parteitag der Grünen wörtlich: „Die Verbindung ökologischer Anforderungen mit ökonomischen Notwendigkeiten muss unsere Arbeit bestimmen.“

Er sprach aber nicht davon, ökonomischen Notwendigkeiten von vornherein in Frage zu stellen.

Noch zwei Bemerkung am Ende. Die Wirtschaftsförderung der Stadt hat seit der Wende viele größere Projekte unter Beachtung des Umwelt- und Naturschutzes begleitet und die jeweiligen Projektteams haben immer (und die Betonung liegt bei immer) einvernehmliche Lösungen, die die Wirtschaft und die Umwelt im Besonderen berücksichtigten, gefunden. Die Großprojekte SWB-Gewerbepark und Kirchmöser waren dafür bedeutende Beispiele. Heute tut man so, als würde der Umwelt- und Naturschutz in dieser Zeit nicht gegolten haben. Aber es wurden sehr viele Millionen von DM/EURO aus der EU, des Bundes und des Landes Brandenburg dafür eingesetzt.


Bitte beachten: Meldungen in der Rubrik "Leserbriefe" geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sie sind ein persönlicher Text des jeweiligen Verfassers. Einsendungen sind unter [info@meetingpoint-brandenburg.de] möglich.
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