Das patriotische Soldatenlied „König Wilhelm saß ganz heiter“ entwickelte sich während des deutsch-französischen Krieges (1870/71) geradezu zu einem Ohrwurm. Das Loblied auf den König machte schnell die Runde und der nach dem Sieg zum Kaiser gekrönte Wilhelm nahm die 14 Strophen – „Dass sie – die Franzosen – ohne zu verschnaufen – bis Paris und weiter laufen“ - auch sehr positiv auf. Für den Verfasser, Wolrad Kreusler, machte sich das 1870 verfasste Gedicht, das nach der Melodie von „Prinz Eugen, der edle Ritter“ gesungen wurde, bezahlt.
Denn der Kaiser sorgte dafür, dass Wolrad Kreusler 1872 in Brandenburg Strafanstaltsarzt und Kreisphysikus wurde. Und als solcher ernannte ihn die Stadt am 28. November 1896 zu seinem 50-jährigen Doktor-Jubiläum sogar zum Ehrenbürger. Wolrad Kreusler wusste sich offensichtlich gut zu vermarkten. Sein Lied ließ er gleich hundertfach drucken und sein Sohn Reginald, als Unteroffizier der Reserve im 83. Füsilierregiment aktiv, verteilte die Exemplare an der Front.
Wolrad Kreusler stammt aus dem nordhessischen Arolsen, wo er 1817 geboren wurde. Nach seinem Medizinstudium in Göttingen, Berlin und Gießen wurde er praktischer Arzt in seiner Heimat: in Sachsenberg, in Corbach und später Landphysikus und Distriktwundarzt in Sachsenhausen (Waldeck). Die Berufung nach Brandenburg war für ihn ein echter Karrieresprung. Nebenbei betrieb er auch noch eine Privatpraxis, fungierte aber auch als Armenarzt. Recht schnell wurde aus ihm ein „Herr Sanitätsrat“ und später sogar „Geheimer Sanitätsrat“.
Auch in der Havelstadt frönte er seinem Hobby und schrieb praktisch zu jedem Anlass patriotische Gedichte. So auch zur Einweihung des Kriegerdenkmals auf dem Marienberg. Heute wirken die Verse „Golden auf hehrem Bau funkelt der Kranz, weit durch den Havelgau leuchtet sein Glanz. Späten Enkeln gibt er Kunde, dass einst in heißer Kampfesstunde Herzblut und Leben freudig gegeben märkische Kinder für König und Land“ eher schwülstig. Doch damals kamen seine Gedichte offensichtlich gut an.
Wolrad Kreusler, der sieben Kinder hatte, arbeitete bis ins hohe Alter hinein. 83-jährig erlitt er in der Strafanstalt einen Schlaganfall. Fünf Tage später, am 9. Januar 1901 starb er in seiner Wohnung in der Ritterstraße. Beigesetzt wurde er im Kreuslerschen Erbbegräbnis auf dem Neuen Altstädtischen Friedhof. Das Grabmal wird von der Stadt unterhalten. Die Wolrad-Kreusler-Straße in der Klingenberg-Siedlung hält die Erinnerung an diesen Ehrenbürger wach.