Logo

Lustvolle Mozart-Annäherung: „Bastien und Bastienne“ im Brandenburger Theater

Theater
  • Erstellt: 17.10.2020 / 18:00 Uhr von Helga Stöhr-Strauch
Eigentlich sollte ja Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ gegeben werden, so Frank Martin Widmaier in seiner kurzen Ansprache zum Premierenabend. Aber dann kam Corona dazwischen und die personalintensive Opernproduktion musste kurzfristig durch eine kleinere ersetzt werden. Mit Wolfgang Amadeus Mozarts weitgehend unbekanntem Frühwerk „Bastien und Bastienne“ ging der Künstlerische Leiter ein gewisses Wagnis ein - Und überzeugte auf ganzer Linie. Das legten auch die Reaktionen des musikbegeisterten Brandenburger Publikums nahe.
Anzeige

Dabei feierte es nicht nur seine Brandenburger Symphoniker, die sich in einer coronatauglichen Kleinformation von zwölf brillanten Künstlerinnen und Künstlern im Orchestergraben einfanden und unter der Leitung des international gefragten Cembalisten Gerd Amelung in gewohnt souveräner Weise agierten. Auch das weitgehend junge künstlerische Team, das eigens für diese Produktion engagiert wurde, belohnte man mit tosendem Applaus. Im Mittelpunkt der um 1768 uraufgeführten Oper steht ein junges Liebespaar: Das junge Schäferpaar Bastien und Bastienne zweifelt an seiner Liebe und sucht deshalb Rat beim zwielichtigen Dorfzauberer Colas. Dieser nutzt die Irrungen der beiden für seine eigenen Pläne aus und verwirrt sie durch zusätzlichen Hokuspokus, dem die Jungen gutgläubig auf den Leim gehen. Gerade noch rechtzeitig und ohne besonderen Anlass wendet sich das Blatt jedoch, und beide finden wieder zueinander. Und Colas lässt sich als kluger Ratgeber feiern.

Regisseur Frank Martin Widmaier siedelt das Geschehen in der Gegenwart an. Die beiden Liebenden sind junge Leute von heute, deren Idyll auf einer als Park hergerichteten Drehbühne (Bühnenbild: Johannes Fried) angesiedelt ist. Hier hantieren sie mit Fahrrad und Fluppe und sprechen eine Sprache, die modern, aber nie flapsig wirkt (Dramaturgie und Textbearbeitung: Willi Händler). Mit ihr erklären und kommentieren sie das Geschehen. Was auch sinnvoll ist, zumal man den gesungenen Text nur schwer versteht. Umso leichter gelingt dem Zuhörer der emotionale Zugang über die jungen und starken Stimmen der Solisten: Elena Bechter (als Bastienne), Kyoungloul Kim (als Bastien) und Sebastian Noack (als Colas) berühren ganz unmittelbar und erbringen dabei gesangliche und darstellerische Höchstleistungen. So wird während des Gesangs Fahrrad gefahren, es werden Liegestützen gestemmt, oder man hantiert mit der Nebelmaschine herum. Rabatten müssen ihr Leben lassen, Rosen werden zerrupft oder T-Shirts vom Leib gerissen, nur um tiefste Verzweiflung und höchste Leidenschaft zu demonstrieren. Nie hält man inne, immer ist alles in Bewegung. Denn man ist jung, reizbar und anfällig für die Doppelzüngigkeit von Colas, der in der Ausstattung von Rebecca van de Sand zu einer dubiosen Mischung aus Obdachlosem und Influencer wird.

Lustvoll und voller Kraft nähert sich die Inszenierung dem Ausnahmetalent Mozart an. Sie setzt auf Komik, ohne ins Klamaukhafte abzurutschen und ist temporeich, ohne gehetzt zu wirken. Im Zentrum steht stets Mozarts Musik, über die der Musikalische Leiter Gerd Amelung im Programmheft ausführt: „Die ganze Oper ist wie ein großes Crescendo komponiert (...) Über eine ganze Szene kontrastiert er hart.“ Aus diesem Kontrast, dem Widerspruch aus Unvereinbarem, das in seiner Folge Komik erzeugt, speist sich auch dieser sehenswerte Theaterabend, der Jung und Alt gleichermaßen ansprechen dürfte.

Weitere Termine:
Sa 31.10., 18:00-19:30 Uhr
Sa 7.11., 19:30-20:30 Uhr
So 6.12., 16:00-17:00 Uhr
Fr 11.12., 19:30-20:30 Uhr
Fr 25.12., 16:00-17:00 Uhr
Jeweils im Großen Haus. Eintrittspreise: 27 Euro, erm. 21 Euro.
Tickets: Tel. 03381-511-111 bzw. [brandenburgertheater.de]

Bilder

Foto: Juliane Menzel
Dieser Artikel wurde bereits 3.107 mal aufgerufen.

Werbung