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5 Fragen an Kinderbuch-Autorin Katha Seyffert: "Die Depression ist anfangs meine Freundin"

Interview
  • Erstellt: 24.11.2021 / 08:01 Uhr von Antje Preuschoff
Die Brandenburgerin Katha Seyffert schreibt seit Jahren Kinderbücher. Mit „Tristia meine kleine Traurigkeit“ hat sie 2020 ihr neuntes Buch herausgebracht. Das handelt von einem zehnjährigen, dicken gemobbten Mädchen, dem die personifizierte Traurigkeit, Tristia, erscheint. Es ist Katha Seyfferts persönlichstes Werk, denn sie beschreibt darin ihre eigene Kindheit mit Depression. Im Gespräch mit Meetingpoint erzählt sie mehr darüber.
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Meetingpoint: Frau Seyffert, Sie sagen selbst, 90 Prozent der Geschichte sind real. Wie kam es dazu, dass Sie sich an „Tristia“ heran gewagt haben?
Katha Seyffert: Dank einer neuen Medikamentation seit zirka vier Jahren bin noch nie so dicht an mir selber gewesen wie jetzt. Ich habe viele Ängste verloren. Mir geht es einfach gut und ich bin sehr glücklich, dass ich das erleben darf. In dem Zuge bin ich viel offener geworden, was es angeht, über mich zu reden, über meine Probleme. Auch, weil ich gemerkt habe, es hilft nicht nur mir selbst, sondern ebenso anderen, die mich besser verstehen können.
Irgendwann dachte ich, vielleicht kann ich einmal etwas schreiben, was den Leuten das Thema Depression näher bringt. Insbesondere Depression bei Kindern ist vielen gar nicht gegenwärtig. Ich sehe da oft große Augen, nach dem Motto: „Was, Kinder können das auch haben?“.
Ich wollte keine Schuldzuweisungen machen, sondern wirklich nur die Hauptfigur begleiten, bei dem Prozess, der da passiert. Depression kann das ganze Leben verändern, Stück für Stück, schleichend. Das wollte ich darstellen.
Was bei mir auch noch hinzu kommt, ist der Umstand, dass mehrere Sachen aufeinander prallen, die sonst so gerudelt nicht vorkommen. Depression, Essstörung, Dicksein, Gemobbt werden – bei vielen treten diese Dinge zum Glück separiert auf.
Im Buch ist „Tristia“ die Freundin der Ich-Erzählerin. Was hat es damit auf sich?
Katha Seyffert: Die Depression ist anfangs meine Freundin. Die Schulhofszene, als sie auftaucht, trifft es schon ganz gut. Dass du Sachen ausblenden kannst und dich in die Arme genommen fühlst. Dieses „nichts mitbekommen und abgeschottet sein“.
Ich hatte immer das Gefühl, als steckte ich in einer halbdurchsichtigen Membran. Die Geräusche um dich sind gedämpft, du siehst nur noch schemenhaft, du nimmst eher wahr, als zu sehen. Ich war eigentlich nur damit beschäftigt, meinen Körper irgendwie zu bewegen, statt zu bewusst zu sein.
Am Anfang ist es noch befreiend, aber irgendwann ist die Welt ringsherum so weg, dass du eigentlich nicht mehr bist.
Ich hatte auch als Kind schon Selbstmordgedanken, die ich allerdings nicht als das wahrgenommen habe, was es ist. Gedanken wie „Wie wäre es, wenn es dich nicht mehr gibt?“. Antwort: „Du müsstest nicht mehr traurig sein“.
Haben Sie sich je unwohl damit gefühlt, so persönliche Sachen im Buch preiszugeben?
Katha Seyffert: Nein. Ich habe ja nichts zu verbergen. Meine Intention ist, damit zu helfen. Ich hoffe, dass es ein Stück weit Betroffene dazu ermutigt, sich zu öffnen. Wenn all das, was ich durchgemacht habe, nur dazu da war, einem Menschen zu helfen, dann bin ich zufrieden.
Das Buch wird es nun gedruckt geben, nachdem es bisher nur als E-Book erschienen ist. Erwartet uns in dem Zusammenhang Neues?
Katha Seyffert: Ja. Das Buch wird vom Wiesengrund Verlag herausgebracht – vermutlich zur Leipziger Buchmesse im März 2022. Zu diesem Zweck habe ich neue Illustrationen gezeichnet. „Tristia“ hatte eigentlich sechs Illustrationen. Nun habe ich für jedes Kapitel (10) Bilder gemacht. Mit Umschlaggestaltung sind es 14 Bilder geworden. Ich möchte nämlich, dass man die Geschichte anhand der Bilder schon theoretisch nachvollziehen kann.
Ich zeichne dazu am Rechner mit einem Grafikpad und nehme Fotos als Vorlage. In dem Fall war es noch leichter als bei den anderen Büchern, denn ich konnte ein Foto von mir selbst nehmen. Ich habe mich in der Haltung fotografiert, die ich der Gestalt geben wollte und danach gezeichnet. Authentischer geht es nicht.
Außerdem ist das Buch um einen Fragenkatalog erweitert worden, den ich mit einer Sozialarbeiterin erarbeitet habe – zur Selbstreflexion und um ins Gespräch zu kommen. Schließlich kann einem nicht geholfen werden, wenn man nicht sagt, was man hat. Auch gibt es Adressen, an die sich Hilfesuchende wenden können.
Was haben Sie als nächstes vor?
Katha Seyffert: Ist das Buch erschienen, möchte ich mich mit „Tristia“ an Kinder- und Familienpsychologen, Schulen, Kindereinrichtungen (Wohngruppen, Heime) sowie Organisationen wenden, die sich mit Depressionen/ Essstörungen beschäftigen - in der Hoffnung, eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen. Denn die Geschichte ist gut geeignet, um es betroffenen Kindern zu erleichtern, sich zu öffnen – oder einfach mit ihnen ins Gespräch, in den Erfahrungsaustausch zu kommen.
Ich überlege außerdem, ähnlich wie für mein Buch „Konrad die Mützes des Weihnachtsmanns“ eine Hör- und/oder Sehbuchfassung auf Youtube zu stellen. Wie das konkret aussehen soll, etwa mit Hörspielcharakter, weiß ich aber noch nicht genau.

Wer mehr über Katha Seyffert und ihre Bücher erfahren möchte oder Kontakt zu ihr aufnehmen will, klickt sich unter [https://katha-seyffert-geschichten.jimdosite.com/].

Bilder

Kreativtalent Katha Seyffert. Foto Preuschoff
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