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Leserbrief: Draußen vor der Tür

Leserbriefe
  • Erstellt: 04.05.2024 / 18:01 Uhr von Vinzenz Thiel
„Frida, hier ist jemand für dich" ruft es nachts von der Tür. Neben dem Polizisten steht Urgroßvater Franz, gerade zurück aus dem Krieg. Wie ihm erging es damals vielen, so auch dem Soldaten Beckmann aus dem vielleicht berühmtesten Drama der Trümmerliteratur „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Unter der Regie von Steffan Drotleff konnte vom 5. bis zum 19. April die Inszenierung des Jugendtheaters am Brandenburger Theater bewundert werden.
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Totgeglaubt zurück wurde Beckmann (Phillip Björn Scharsich) jedoch nicht wieder von seiner Frau aufgenommen. Die vermeintliche Witwe hat nach all den Jahren wieder geheiratet und derart alleingelassen stürzt Beckmann sich in die Fluten der Havel, um seinem Leben ein Ende zu bereiten. Die Havel (Marlene Küpper) lässt sich das aber nicht gefallen und wirft ihn wieder hinaus ans Ufer, wo schon ‚Der Andere‘ (Hannes Lang) auf ihn wartet. Das intensive Wechselspiel aus der Verzweiflung Beckmanns und der Lebenslust des Anderen trägt uns durch den Abend.

Gefühlt lebensgroß scheint ein kolossaler Mond auf das für ihn typisch, mit orangen Elementen gespickte Bühnenbild Thomas Gabriels und dient je nach Szene als Projektionsfläche, derweilen etwa als Goldfischglas. So begleitet er die Beckmänner auf der Suche nach den Eltern, einem Job oder einer neuen Liebe. Dazu passend vielfältig eingekleidet sind die jungen Darsteller mit Kostümen aus der Nadel von Kathrin Mickan.

Besonders in Erinnerung blieben dabei einerseits das prachtvolle Kleid der Havel, wie auch die militärische Aufmachung mit Koppel und Gasmaskenbrille der Beckmänner. Unterstützt wurden die Jugendlichen von den beiden Gastdarstellern Michelle Schmidt (alias ‚der Gott an den keiner mehr glaubt‘) und Tobias Borchers als beständig rülpsender Tod – ein herrlich groteskes Duo. Genauso grotesk und vielleicht die intensivste Szene des Abends war die Begegnung Beckmanns mit dem Oberst (Louca Pohlmann), dessen wahnsinniges Lachen im Angesicht seiner Schuld kein Ende finden konnte.

Trotz der tollen Leistung der Jugendlichen war es sicher kein gemütlicher Theaterabend; vielmehr einer, der die Zuschauer noch lange beschäftigen wird. „Mit der Wahrheit ist es, wie mit einer stadtbekannten Hure: Jeder kennt sie, aber es ist peinlich, ihr auf der Straße zu begegnen“ – den Mutigen begegnet sie sicher wieder bei einer Produktion des Brandenburger Theaters. Zu schön wäre es, man träfe Sie schon in der nächsten Saison wieder ‚Draußen vor der Tür‘.


Bitte beachten: Meldungen in der Rubrik "Leserbriefe" geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sie sind ein persönlicher Text des jeweiligen Verfassers. Einsendungen sind unter [info@meetingpoint-brandenburg.de] möglich.

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