Nachdem das Brandenburger Stadtmuseum jahrelang ohne wirkliche Führung war, ist Anja Grothe im August 2019 als Leiterin angetreten. Seitdem tut sich einiges in der Einrichtung mit ihren drei Standorten Gothisches Haus, Frey-Haus und Steintorturm. Was derzeit passiert und wie es ist, ein Museum unter Corona-Bedingungen zu leiten, erzählt Anja Grothe im Interview.
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Meetingpoint: Sie leiten das Stadtmuseum schon längere Zeit in der Krise als ohne. Wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?
Anja Grothe: Es gibt auf keinen Fall nicht weniger zu tun. Als größte Baustellen bleiben der Depot- und Museumsstandort. Das läuft seit Jahren ohne eine glückliche Lösung. Aber wir arbeiten intensiv daran.
Was sich in Corona-Zeiten extrem verändert hat, ist der digitale Auftritt des Hauses. Wir hatten da mit unserer Internetseite und den Kanälen auf Facebook und Instagram eine gute Basis, mussten die nun verstärkt bespielen. Da ich mich privat auch in sozialen Netzwerken bewege, war es für mich kein Neuland.
Weil wir für Posts passende Objekte suchen mussten, habe ich die Sammlung sehr schnell besser kennen gelernt. Es war eine tolle Gelegenheit, mal rechts und links von den „üblichen“ Exponaten zu schauen. Ich erinnere mich da besonders gern an ein tolles Plakat von 1958 von der Rugby-WM in Brandenburg. Rugby-WM hier! Das wissen vielleicht die älteren, sehr eingefleischten Brandenburger, aber sonst kaum jemand.
Allerdings haben wir in der ersten Schließzeit fast jeden Tag etwas gepostet, zwei Drittel davon habe ich allein gemacht. Das war schon anstrengend. Das ist in der Schlagzahl nicht dauerhaft zu halten, zumal die andere Arbeit weiterläuft.
Wir bleiben jedoch am Ball, rüsten auch technisch auf. Ich bin ja eher "Team Standbild", nun haben wir erste Videoformate gemacht und führen das fort. Unsere neue Mitarbeiterin Susanne Petersen hat da wunderbare Ideen.
Gibt es noch mehr Positives, was Sie aus der Zeit ziehen können?
Anja Grothe: Die Kooperation zwischen den Kultureinrichtungen in der Stadt hat sehr zugenommen. Das ist ein positiver Aspekt der Schließzeit. Da haben wir die Zeit wirklich genutzt. Ich musste in meinen ersten Monaten die Beteiligten kennen lernen und dann gucken, wie wir zusammen arbeiten können. Die Beziehungen werden immer enger, besonders zur Fouque-Bibliothek, aber auch zur Musikschule. Unter anderem hat die Volkshochschule unseren Garten mehrfach für Yoga genutzt. Sie haben für diesen Sommer wieder angefragt.
Und was vermissen Sie besonders an der Arbeit unter Corona-Bedingungen?
Anja Grothe: Was mir fehlt, sind unter anderem die Fortbildungen des Museumsverbandes. Da fehlt der Kontakt zu den Kollegen, so etwas wie der Austausch an der Kaffeemaschine. Oder auch hier – die halb-private Unterhaltung nach Feierabend. Das sind Dinge, die in der digitalen Welt komplett verloren gehen, aber sonst so oft für neue Ideen und Einsichten sorgen.
Eine echte Herausforderung waren auch die Vorstellungsgespräche für die Besetzung der Vermittlungsstelle, aus denen Frau Petersen siegreich hervor gegangen ist. Da beide Seiten Masken trugen, fehlte die Mimik des Gegenübers.
Wie viele Ihrer Planungen für das Museumsjahr mussten Sie über den Haufen werfen?
Anja Grothe: Wir konnten leider nicht viele Veranstaltungen machen. Im Sommer haben wir die kurze Zeit genutzt für die Auftaktveranstaltung des heimwerts-Festivals. Das war ein wunderschöner Tag mit Musik und Theater – wie ein übergroßes Familienfest.
Das zweite war die Aktion „Feuer und Flamme für unsere Museen“ mit Vorführungen und Mitmachaktionen der Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr bei uns im Garten.
Die ganzen Ferienprogrammteile allerdings müssen wir uns für ein anderes Mal aufsparen. Aber wir haben uns Zwischenformate ausgedacht. Die Schönste ist noch zu sehen im Schaufenster des Gotischen Hauses. In den Osterferien hatten wir Kinder eingeladen, sich Kleider- und Hosen-Schablonen nach alten Ausschneidevorlagen und Ausschneidebögen vom Steintorturm abzuholen und daraus ihre „Traumtürme und Wunschkleider“ zu gestalten. Die Beteiligung war super. Nicht nur Kinder kamen vorbei, sondern unter anderem eine Demenzgruppe. Wir haben gut 30 Vorlagen ausgegeben. Fast 80 Prozent kamen zurück. Das ist eine tolle Quote. Daran zeigt sich: Die Leute wollen unsere Angebote - und wir bemühen uns nach Kräften, Formate anzubieten, haben "Hybridveranstaltungen" entwickelt.
Sie sagten zu Beginn in der Leitungsfunktion in einem Interview: „Das Stadtmuseum muss erst mal wieder in der Stadt ankommen“. Ist das schon geglückt?
Anja Grothe: Wir haben auf jeden Fall einen Fuß in der Tür. Und das ist auch auf die digitale Präsenz unter dem Motto "geschlossen, aber doch da" zurückzuführen. Und auf Ausstellungen mit Beteiligung von Leuten aus der Stadt.
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